Guter Reisebegleiter mit "Kompromissklang" und überzeugendem ANC
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Vorteile:
ausgewogener Klang, abwaschbar, angenehm zu tragen, Akku hält sehr lange, überzeugendes Noise Cancelling , für lange, entspannte Hörsessions, Wischgesten funktionieren gut
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Nachteile:
Klang könnte konturierter sein, Plastikbomber-Design, wenig elegant, erzielbare Lautstärke etwas niedrig, nicht für Heavy/Death Metal etc, relativ hohe Latenz
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Geeignet für:
unterwegs, am Computer, Büro
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Ich bin:
häufig unterwegs
Ich besitze eigentlich schon (zu) viele Kopfhörer - aber nach den vielen positiven Tests zum Sony WH-1000XM2 und insbesondere dessen Noise Cancelling konnte ich dann doch nicht widerstehen - als Ergänzung zu meinem Bowers & Wilkins P7 (BT, aber ohne ANC) und den zahlreichen "kostengünstigen" Modellen, die ich im letzten Jahr getestet hatte (Primus unter diesen, ganz klar: Der Auna Elegance ANC für etwa €60 - Preis/Leistung IMHO unschlagbar!).
Mein Eindruck beruht jetzt auf den ersten 24 Stunden; ich nehme an, dass KH-üblich noch ein gewisser Einspieleffekt zum Tragen kommen wird.
Design: Trotz der guten Testergebnisse wolle ich den WH-1000XM2 zunächst nicht bestellen, weil er auf den Produktphotos einfach nur hässlich wirkt. Nicht nur hässlich: Potthässlich! Mit den weit ausgebeulten Ohrmuscheln wirkt er genau so, wie es die flapsige englische Bezeichnung für Kopfhörer sagt: "Cans" - Dosen! Aber form follows bekanntlich function, also bestellt: In natura ist der Eindruck positiver, da die Oberflächen strukturierter sind, als sie auf den Werbephotos herüber kommen. Ein "Designerstück" ist er allerdings nicht und wirkt insgesamt etwas klobig - gottlob ist er nicht so schwer, wie er aussieht
Verarbeitung: Natürlich mache ich mir angesichts der Probleme mit dem Vorgängermodell etwas Sorgen, da auch hier die Klappmechanik aus Kunststoff ist. Sollten hier Probleme auftauchen, hoffe ich, dass sich Sony genauso kulant verhalten wird wie beim Vormodell. Ansonsten ist alles sehr sauber verarbeitet und wirkt stabil, auch wenn sich - in Verbindung mit dem Design - der Ausdruck "Plastikbomber" geradezu aufdrängt. Für kleine Köpfe ist der WH-1000XM2 eher nichts: Ich habe einen sehr großen Kopf und bei mir drücken die Polster fast gar nicht. Schrumpfköpfe sollten sich anderweitig umschauen. Das Kopfband macht einen formstabilen Eindruck, die Polsterung könnte etwas dicker ausfallen.
Komfort: Im Vergleich zu der "Schraubstockphilosophie" von Bowers & Wilkins ist der Anpressdruck des Sony auch bei längerer Benutzung gut auszuhalten. Ich empfinde kaum Druck auf den Ohren, von Druckschmerz ganz zu schweigen. Allerdings kriegt man bei den jetzigen Temperaturen relativ schnell warme Ohren! Dabei fallen die Hörmuscheln an sich recht großzügig aus; der WH-1000XM2 ist auch für mehr als mittelgroße Lauscher als Over Ear geeignet (was man von B&W P7 und Auna ANC nur bedingt behaupten kann). Die Polster sind nur "mittelweich", aber immer noch bequemer als die (vor allem am Anfang) sehr steifen Echtledermuscheln des B&W P7. Insgesamt sitzt der Sony sicher auf dem Kopf, für Trainingssessions im Fitnessstudio würde ich ihn jedoch nicht benutzen.
Klang: Sony ist nun mal ein Großserienhersteller, der sein Geld nicht mit Marge macht, sondern mit Stückzahlen. Es überrascht mich deshalb nicht, dass der Klang genau so ausfällt wie er ausfällt: Massentauglich. Homogen, ausgeglichen, die Extreme scheuend - manchmal mit Weichzeichnung bis über die Schmerzgrenze hinaus. Alles wirkt rund, "abgeschliffen". Das ist nicht so negativ gemeint, wie es vielleicht klingt: Der WH-1000XM2 ist ein Kopfhörer für langen, ununterbrochenen Musikgenuss. Der P7 hat im Vergleich wesentlich mehr Kanten, Konturen - aber nach 2 Stunden Hören spätestens ist dann auch mal gut. Der Sony würde mich den ganz Tag über nicht "nerven".
Insgesamt ist der Klangeindruck für einen geschlossenen KH durchaus transparent, v.a. in der Tiefenstaffelung - weniger in der Breite der Bühne. Vor allem mittlere und hohe Stimmen sowie Einzelinstrumente treten gut hervor, das Klangbild wirkt 3-dimensional.. Auch hier: Die Stimmenpräsenz ist sehr gut, aber nicht hervorragend - denn es soll nichts hervorragen! Die Bässe treten bei entsprechender Mischung gut nach vorn, aber nicht mit dem letzten Druck - der Tiefbass wird relativ früh abgerollt. Rund und gesund, was mancher Musik aber ein wenig die Kanten nimmt - für Death Metal und anderes Dauerdröhnen ist der WH-1000XM2 definitv nicht geeignet. Für Pop, Country, Jazz, Mainstream Rock - da kommt er gut. Bei Klassik: Zwiespältig! Kammermusik mit deutlichen Konturen wirkt schön kompakt, allerdings kommen bei großer Orchesterbesetzung sowohl in den Streichern (die hier zu Teppichen mutieren können) als auch bei den Bläsern wiederum die Schärfen abhanden. Bei Instrumentalkonzerten kaum ein Problem, da hier der Solist im Mittelpunkt stehen sollte (und beim Sony auch tut) - bei Wagners Ring des Nibelungen wabert es (zu) viel. Sowohl der P7 als auch der viel günstigere Auna schaffen da eine bessere Detailauflösung und klingen lebendiger.
Alles in allem klanglich aber ein guter Kompromiss. Ob er ausreicht, um den Sony zu behalten, das werde ich erst nach 2-wöchigem Urlaub endgültig entscheiden.
BT und ANC (Firmware 2.0.1): Sony setzt im Smartphone-Zeitalter auf Wischgesten statt Knöpfchen. Überzeugt das: Im Grunde ja: Nach kurzer Eingewöhnung reagiert er zu etwa 90% präzise auf die Bewegungen/Kontakte, da ist vollkommen in Ordnung. Schwieriger finde ich die sehr detaillierte App in Verbindung mit den beiden einzigen Bedienknöpfen. Ist in der Sony App die "adaptive Geräuschsteuerung" aktiviert, dann muss auch in der "Funkt. d. Taste [NC/AMBIENT] ändern" (Originaltext in der App) die "Umg.geräusch-Strg" (ebenfalls original App-Text) ausgewählt sein, damit man mit den ANC/Ambient Knopf die Geräuschunterdrückung um- oder ausschalten kann - sonst dient sie als Steuerungstaste für den total überflüssigen Google Assistant): Etwas verwirrend.
Gleich nach Inbetriebnahme wurde die neue Firmware angezeigt und über BT installiert, was weniger als 20 Minuten gedauert hat und ohne Glitch vonstatten ging.
Die App an sich ist schon gut gemacht, die Einstellungsmöglichkeiten stellen alles Vergleichbare anderer Hersteller in den Schatten. Allerdings klappt zumindest bei einem meiner Smartphones (Huawei P20 Pro) die Verbindung zum KH trotz aktiviertem BT nicht optimal. Mit dem Samsung Galaxy S8 hingegen schon.
Die Wirkung des ANC konnte ich bisher nur mit künstlichen Geräuschkulissen ausprobieren. Sie ist gut: Brummen etc wird zuverlässig eliminiert, Stimmen deutlich unterdrückt. Übrigens ist auch schon die passive Geräuschunterdrückung nach innen überdurchschnittlich gut. Auswirkungen auf das Klangbild scheint die ANC kaum zu haben - Die "DSEE HX" Einstellung übrigens auch nicht. Bei beiden Smartphones wird der Codec mit "LDAC" erkannt.
Akkulaufzeit: Konnte ich jetzt noch nicht testen.
Noch bin ich mit nicht im Klaren, ob ich den KH als Ergänzung zu den anderen behalte. Ob mich das "komromisslerische Klangbild" auf Dauer mehr stört oder entspannt - und ob die Alltagstauglichkeit zufriedenstellend ist. Einstweilen: Gutes Produkt!
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