Microsoft will es nochmal wissen. 20 Jahre nach dem ersten Microsoft Tablet PC möchten die Windows-Erfinder aus Redmond immer noch der König der mobilen Produktivität werden. Das Surface Duo stellt dabei eine Rückkehr an den Smartphone-Markt dar, dem Microsoft zuletzt 2015 den Rücken zukehrte. Ob das klappt? Das Gerät selbst klappt jedenfalls schon mal – dank zweier Displays.
Doppeldisplay statt Fold für mehr Produktivität
Während Samsung, Huawei und Co. mit faltbaren Displays experimentieren, setzt Microsoft auf ein Doppel-Display-Konzept. Preislich bewegt sich das Gerät ebenso wie die Foldables im absoluten Flaggschiff-Bereich. Die Zielgruppe ist aber eine andere: Hier sollen vor allem Business-Leute und Kreative angesprochen werden, die auch unterwegs und abseits des Büros maximale Produktivität wünschen.Die beiden Hälften sind mit einem stabilen und in Sachen Härte bzw. Druckwiderstand perfekt abgestimmten Scharnier verbunden, was durchaus Vertrauen in die Langlebigkeit des Geräts weckt. Die beiden Displays sind jeweils 5,6 Zoll groß, was im ausgeklappten Zustand eine Gesamtdiagonale von mächtigen 8,1 Zoll ergibt. Die beiden Panels setzen auf die extrem kontraststarke und energiesparende OLED-Technologie mit einer Auflösung von 1800 x 1350 Pixeln, was für einen guten Schärfeeindruck sorgt.
Hier merkt man bereits die Ausrichtung auf Produktivität: Die Displays sind etwas breiter als normal, wodurch zum Beispiel mehr Text auf einem Blick lesbar wird. Im Gegensatz zu den meisten anderen Smartphones in diesem Preisbereich gibt es hier aber nur eine Bildwiederholrate von 60 Hz. Andere Flaggschiffe setzen fast durchweg auf 90- und 120-Hz-Displays mit besonders geschmeidiger Darstellung. Auch die sehr breiten Ränder ober- und unterhalb der Bildschirme wirken nicht ganz zeitgemäß.
Zwischen den beiden Screens ist ein schmaler schwarzer Streifen auf Höhe des Scharniers. Letzteres ermöglicht ein vollständiges Umklappen, wodurch einige interessante Anwendungsmöglichkeiten entstehen.
Nutzungsmöglichkeiten beim Surface Duo
- Book-Mode: Aufgeklappt mit beiden Displays im Hochformat. Ideal für die Nutzung zweier Apps parallel
- Compose-Modus: Aufgeklappt und gedreht. Das untere Display kann als Tastatur genutzt werden und das Anwinkeln des Scharniers ermöglicht eine Aufstellung wie bei einem Notebook (z.B. für Videokonferenzen).
- Einzeldisplay-Modus: Wenn sich alles Wichtige auf einem Screen abspielt, dreht man das zweite Display auf die Rückseite, wodurch es deaktiviert wird und so Energie spart
- Zelt-Modus: Beide Displays nach außen, aber nicht ganz zusammengeklappt für komfortablen Videogenuss.
Die beiden Displays lassen sich auch per Stift bedienen, was zum Beispiel bei handschriftlichen Notizen oder beim Zeichnen ein Muss ist. Unterstützt werden offiziell derzeit die drei Modelle Surface Pen, Surface Slim Pen und Surface Hub 2 Pen. Im Lieferumfang ist allerdings kein Stift enthalten.
Die Software: Android mit Windows-DNA
Microsoft bringt mit dem Surface Duo erstmals ein Smartphone auf Android-Basis auf den Markt. Das flexible Betriebssystem wurde von Microsoft stark erweitert. Das Doppeldisplay ist stark ins System integriert. Standardmäßig wird auf jedem Display eine App angezeigt. Das ist schon mal einfacher als bei der Konkurrenz, wo für die Aufteilung des Displays stets Gesten oder Tastendrücke vonnöten sind. Das Surface Duo ermutigt also ganz intuitiv dazu zu multitasken. Auf die Veränderung der Position oder das Auf- bzw. Zuklappen des Scharniers reagiert das System dynamisch. So wird zum Beispiel im Querformat bei Messaging-Apps die Tastatur auf dem unteren Display angezeigt. Coole Idee: Wenn Sie zwei Apps generell zusammen nutzen, lassen sie sich direkt auf dem Homescreen zu einer Gruppe zusammenführen und öffnen sich dann beide mit einem Fingertipp.Einige Apps, darunter wenig überraschend natürlich auch Microsofts eigene Anwendungen sowie die Kindle-Reader-App, sind bereits spezifisch auf das Doppeldisplay-System angepasst worden. So nutzt zum Beispiel die Outlook-App beide Displays zugleich, indem auf einer Seite Details zu einem Termin angezeigt werden, während auf der anderen Seite noch der vollständige Kalender sichtbar ist. Leider sind solcherlei praktische Anpassungen noch eher die Ausnahme. Die für die meisten Business-Leute wichtigen Microsoft-Dienste sind aber allesamt sehr gut ins Betriebssystem implementiert.
Hundertprozentig ausgereift ist das Konzept allerdings noch nicht. Bei der Erkennung der Lage des Smartphones kommt es gerne mal zu Verzögerungen. Viele der Dual-Screen-Funktionen erfordern zudem Wischgesten vom unteren Bildschirmrand, was mit den Android-Gesten wie dem schnellen App-Wechsel oder der Rückkehr zum Homescreen teils kollidieren kann. Sie sollten sich also auf eine längere Eingewöhnungszeit einstellen. An dieser Hakeligkeit merkt man dann leider doch, dass Android nicht auf das innovative Doppelscreen-Konzept ausgelegt ist und Microsoft eine völlig neue und eigene Logik auf dem System aufsetzen musste.
Das Äußere: Edel, groß und doch kompakt
Den Anspruch, ein Highend-Smartphone zu sein unterstreicht Microsoft nicht nur mit dem wertigen Scharnier, sondern auch mit dem edlen Gehäuse. Die Außenseiten sind mit stabilem und kratzfesten Gorilla Glas überzogen und die Ränder aus Metall vermitteln eine gute Robustheit. Die Spaltmaße und die generelle Verarbeitungsqualität sind ebenfalls auf einem hervorragenden Niveau. Überraschend ist, wie dünn das Gerät im zugeklappten Zustand ist: Trotz zweier Displays aufeinander kommt das Surface Duo auf eine Dicke von nur 10 mm. Die einzelnen Hälften sind also kaum dicker als ein USB-C-Anschluss. Ein solcher ist übrigens der einzige Anschluss am Gerät.
Was beim Mitführen in der Hosentasche stören kann, ist das breite Format der Einzeldisplays. Somit lädt das Gerät trotz des kompakten und leichten Eindrucks doch eher zur Mitführung in Rucksack oder Handtasche ein. Für kleinere Hände ist die einhändige Bedienung bei der Nutzung mit nur einem Display außerdem schwierig. Immerhin passt sich die Bildschirmtastatur automatisch an und rückt ein wenig nach rechts in Richtung des Daumens.
Innenleben und Kamera: Nicht ganz auf Flaggschiff-Niveau
Die für viele Smartphone-Poweruser wichtige Kamera war beim Surface Duo offenbar keine Priorität. Die einzelne Kamera auf der Innenseite fungiert als Selfiekamera und Webcam sowie auch als Hauptkamera zugleich. Sie eignet sich prima für Videokonferenzen, kann beim Fotografieren aber nicht mal ansatzweise mit anderen Highend-Smartphones mithalten. Microsoft hat sichtlich Nachholbedarf in der Disziplin Bildverarbeitung. Auch das Bedienkonzept der Kamera schreckt eher davon ab, eine Fotosafari zu unternehmen: Um ein Foto aufzunehmen, müssen Sie die Kamera-App starten, das Gerät zusammenklappen, die Kamera nach außen drehen und noch auf das zu Ihnen gerichtete Display doppeltippen, um den Suchermodus zu starten. Schnelle Schnappschüsse sind so kaum möglich.
Viel wichtiger für die Produktivität sind der Prozessor und der Speicher. Mit dem Snapdragon 855 arbeitet hier die Top-CPU der Vorgeneration. Diese arbeitet immer noch weitestgehend flott und ist nicht der Flaschenhals. Der Chipsatz bietet im Gegensatz zu aktuelleren Modellen keinen Support für 5G-Mobilfunk. Beim Arbeitsspeicher hat Microsoft überraschenderweise geknausert: 6 GB RAM genügen bei normalen Single-Screen-Smartphones völlig, aber für produktives Arbeiten mit mehreren, teilweise speicherhungrigen Apps parallel hätte es ruhig deutlich mehr sein dürfen. Wenn Sie das Gerät intensiv nutzen, kommt es durch die Speicherknappheit hin und wieder zu kurzen, aber nervigen Verzögerungen. Beim Festspeicher gibt es keinen Anlass zur Kritik. Das Surface Duo ist wahlweise mit 128 GB oder 256 GB Speicherkapazität bei MediaMarkt erhältlich.
Der Akku misst 3.577 mAh. Die Kapazität ist angesichts des sehr schmalen Gehäuses zwar erstaunlich, aber angesichts der beiden Displays, die beide allerhand Energie benötigen, doch nicht gerade viel. In der Praxis reicht es noch für einen Tag mit einigen Stunden produktiver Arbeit. Sollte das Gerät doch mal intensiver genutzt werden, lässt es sich mit 18 W Ladegeschwindigkeit aufladen, was nur mäßig schnell ist. Kabelloses Aufladen wird nicht unterstützt.
Der Lautsprecher hat in dem dünnen Gehäuse zu wenig Platz und klingt dementsprechend alles andere als beeindruckend. Auf maximaler Lautstärke ist er etwa so laut wie andere Handy-Lautsprecher bei 50%-Einstellung und der Klang wird dann schon knarzig-blechern. Beim Telefonieren macht er aber immerhin noch eine gute Figur.