Probiotische Lebensmittel liegen im Trend. Ihn werden wahrlich Wunder nachgesagt: Sie sollen das Immunsystem stärken, fit machen und sogar Dickdarmkrebs vorbeugen oder eindämmen können. Ob Wurst, Käse oder probiotische Margarine – die Nachfrage nach den oftmals unscheinbar verpackten Produkten ist hoch. Deren Preise allerdings auch. Verbraucher schrecken jedoch nicht vor einem Kauf zurück. Die immer größer werdende Beliebtheit von Probiotika scheint am vielversprechenden Nutzen zu liegen, den der Verzehr der Keime mit sich bringen soll: Der Darm wird aktiver und die Immunabwehr wird gestärkt. Die Werbung ist in diesem Zusammenhang insbesondere bei Joghurts sehr aktiv und präsentiert freudestrahlende und sportliche Menschen, die nur so vor Energie strotzen. Doch gibt es zunehmend Zweifel seitens der Wissenschaft an den angeblich gesundheitsfördernden Eigenschaften probiotischer Mikroorganismen.
Wirkung umstritten
Denn laut neuester Studien ist es extrem zweifelhaft, dass diese Mikroorganismen überhaupt in nennenswerter Zahl den Dünn- oder Dickdarm erreichen – und zwar teilungsfähig, da ansonsten keine Besiedlung des Darms möglich ist. Schuld daran ist die Magenpassage, die ganz bewusst dafür sorgt, dass Lebewesen eben nicht in den Rest des Körpers übersiedeln können. Probiotische Stämme müssten also in enormer Menge in einem Joghurt vorhanden sein, um überhaupt in größerer Zahl den Darm zu erreichen. Doch auch wenn dies der Fall wäre, ist die Wirkung dieser Stämme vielfach stark umstritten. Mehrere Studien kamen zuletzt zum Schluss, dass sich weder die Häufigkeit noch die Art des Stuhles von Menschen ändern, die probiotischen Joghurt zu sich nehmen. Teils positive Ergebnisse konnten bei einigen, ganz bestimmten Stämmen hinsichtlich einer Förderung der Laktose-Verdauung und der Unterdrückung von Krankheitskeimen oder Viren im Darm beobachtet werden, die Durchfall verursachen. Ein verbesserter, allgemeiner Infektionsschutz konnte dagegen genauso wenig nachgewiesen werden die wie Senkung des Cholesterinspiegels oder gar die Vorbeugung oder Eindämmung von Darmkrebs. Die negativen Ergebnisse der betreffenden Studien führten auch zu einem Werbeverbot bezüglich dieser Wirkungen seitens der Europäischen Union. Seit 2010 dürfen Hersteller also nur noch Wirkungen bewerben, die tatsächlich nachgewiesen sind – und deren Liste ist eben ausgesprochen klein.Wirksamkeit von Activia, Yakult, Actimel & Co.
Schaut man sich im Supermarkt nach einem probiotischen Joghurt um, trifft man wohl am Häufigsten auf den Activia Natur Joghurt. Seine ActiRegularis Kultur übersteht den Weg in ihren Wirkungsbereich, dem Dickdarm, angeblich besser als andere Kulturen. Diese Aussage belegt der Hersteller Danone zwar mit einer Studie, jedoch gibt es für den Verbraucher keine Hinweise darauf, welche Keime hinter ActiRegularis stecken. Dabei ist, neben dem Vorhandensein von Studien zur Wirksamkeit der Keime, das Deklarieren der Kulturen auf der Verpackung ein wichtiges Zeichen für die Seriösität des Produktes. Ähnlich ist es beim Joghurt LC1 Pur von Nestlé. Dass LC1 der Lactobacillus johnsonii La 1 ist, wird dem Käufer vorenthalten. Besser macht es Yakult. Die Wirksamkeit des japanischen Gesundheitsgetränks wurde wissenschaftlich getestet und auf der Verpackung ist die Keimzahl des beinhalteten L.casei/Shirota angegeben. Negativ fällt an dem Produkt jedoch der hohe Zusatz an süßenden Kohlenhydraten und Aromastoffen auf. Ebenso verhält es sich mit dessen Pendant Actimel von Danone. Hier sind Farb- und Aromastoffe zugesetzt. Außerdem ist die Deklaration des beinhalteten Keimstammes als L.casei “defensis“ wissenschaftlich nicht korrekt, da es sich lediglich um eine Werbebezeichnung handelt, so auch beim Pendant mit Erdbeere.Unerforscht: Negative Auswirkungen
Nun könnte man feststellen, dass auch eine kleine Wirkung hinsichtlich gesteigerter Laktose-Toleranz und Durchfallbekämpfung doch den Kauf des Produktes rechtfertige. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass probiotische Mikroorganismen durchaus auch negative Folgen haben können. So warnen Mediziner zunehmend davor, dass die kleinen Wunderorganismen in Wirklichkeit – sollte ihnen doch eine Besiedlung des Darms gelingen – die natürliche Darmflora verdrängten und deren Arbeit übernähmen. Da diese Organismen aber anders als die natürliche Flora nur wenigen Tage bis Wochen ohne beständigen Nachschub überleben könnten, sei der Körper in der Folge sogar viel eher anfällig für Infektionen und Krankheiten. Freilich ist auch dies bislang nicht endgültig nachgewiesen worden, und wenn ohnehin keine Besiedlung des Darms gelingt, dürften auch die negativen Effekte nicht zum Tragen kommen...
Fest steht nur: Probiotische Lebensmittel sind keinesfalls Wunderheilmittel und ihre effektive Wirkung – sofern nicht in Arzneidosen verabreicht – tendiert gegen Null, zumindest in den bisher erhältlichen Joghurts. Insofern kann hier natürlich guten Gewissens zugegriffen werden. Aber ein Naturjoghurt für den halben Preis oder noch weniger tut es eben genauso.
Tipp: Wenn Sie genau wissen wollen, was in Ihrem Joghurt drin ist, empfiehlt es sich, diesen selbst herzustellen.
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